Blogartikel – 31.05.2025
Kraniotomie – das Öffnen der Schädeldecke.

Um am Gehirn operieren zu können, muss der Neurochirurg die Schädeldecke eröffnen, was als Kraniotomie bezeichnet wird.
Eine Kraniotomie kann bei einem Traumaflap eine ganze Kopfseite von frontal nach okzipital betreffen. Hierbei wird standardisiert ein Hautschnitt von frontal gerade nach hinten gezogen und gebogen bis vor dem Ohr endend. Der Temporalmuskel muss inzidiert und abgeschoben werden, anschließend kann eine große frontotemporoparietale Kraniotomie durchgeführt werden. Eine solche entlastende Kraniektomie kann innerhalb von wenigen Minuten als Notfalleingriff durchgeführt werden, während komplexe Zugänge zur Schädelbasis mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Hierbei kann sogar ein zweizeitiges Vorgehen indiziert sein: In der ersten Operation wird der Zugang geschaffen und in einem zweiten Eingriff der Tumor entfernt. Insbesondere bei komplexen Tumoren an der Schädelbasis muss der Zugang in einem mehrstündigen Vorgang durch das Wegfräsen des basalen Knochens und vorsichtige mikrochirurgische Präparation geschaffen werden. Da die weitere Tumorresektion auch noch mehrere Stunden dauern kann, wird diese dann zur Sicherheit des Patienten in einem zweiten Eingriff durchgeführt. Prinzipiell kann hier die Kraniotomie direkt über der Pathologie durchgeführt werden, anhand anatomischer Landmarken oder mit Hilfe eines Navigationssystems.
Nach einer Kraniotomie sollte der entnommene Knochendeckel wieder implantiert werden. Im Folgenden werden das Vorgehen und die damit verbundenen Risiken genauer erläutert.
Wie funktioniert das Öffnen der Schädeldecke?
Um Erkrankungen des Gehirns operativ behandeln zu können, muss zunächst das Öffnen der Schädeldecke erfolgen. Diese Operationen werden in einer Klinik für Neurochirurgie durchgeführt und ihr Ausmaß und ihre Lokalisation richten sich nach der zugrunde liegenden Pathologie.
Das Gehirn ist von einem starren, schützenden Schädelknochen umgeben, in den nach der Eröffnung der Haut und gegebenenfalls Durchtrennung von Muskulatur und aufliegendem Periost ein Loch gebohrt wird. Solch eine Bohrung kann mittels einer Fräse oder einem Trepan wie dem evoDrill von evonos erfolgen. Er hat den Vorteil, dass er von selbst stoppt, wenn kein knöcherner Widerstand mehr vorhanden ist, was insbesondere bei der Eröffnung des Schädels über in der Dura liegenden Gefäßen eine sichere Methode darstellt. Den evoDrill gibt es in unterschiedlichen Durchmessern, so dass hier die passende Größe ausgewählt und mit wenig Kraftaufwand die primäre Eröffnung erfolgen kann. Bei sehr großen Kraniotomien können auch mehrere Bohrlöcher angelegt werden, die dann mittels eines Kraniotoms verbunden werden. Anschließend wird der ausgesägte Knochendeckel ausgehebelt und entfernt. Darunter kommt die Dura zum Vorschein, in der sich große venöse Gefäße befinden. Beim Fräsen bedarf es sowohl des Wissens ob der Lage dieser Strukturen als auch der sorgfältigen manuellen Handhabe.
Viele Kraniotomien erfolgen nach anatomischen Standards. So gibt es beschriebene Zugangswege in der hinteren, mittleren und vorderen Schädelgrube, um zu dortigen Pathologien zu gelangen. So kann über einen pterionalen Zugang, bei dem der Schädel frontotemporal eröffnet wird, die vordere Schädelbasis erreicht werden. Hierbei muss gegebenenfalls noch etwas von Knochenvorsprüngen an der Basis entfernt werden.
Zum Erlernen und Trainieren dieser zum Teil sehr komplexen Zugangswege, stehen neben theoretischen Lernmethoden auch Kadaverkurse zur Verfügung, bei denen für Neurochirurgen die Möglichkeit besteht, ihr anatomisches Verständnis und ihre Manualität auch praktisch an der Basis des Schädels zu üben.
Für einen nicht durch anatomische Landmarken begrenzten Zugang, stehen heute Navigationssysteme zur Verfügung, mit deren Hilfe zuvor angefertigte dünnschichtige Bilder aus dem MRT oder CT eingelesen und mit dem fixierten Kopf des Patienten referenziert werden. Somit ist schon von außen der Zugang zu einem Tumor und die ausreichende Größe und exakte Lokalisation der Kraniotomie planbar. Des Weiteren hilft die Navigation im weiteren Verlauf dabei, mögliche Tumorgrenzen auszumachen, die nicht mikroskopisch sichtbar sind.
Wann erfolgt nach einer Kraniotomie die Reimplantation des Schädelknochens?
Ist die Kraniotomie als Zugang zur Entfernung eines Tumors oder einer anderen Pathologie durchgeführt worden, erfolgt die Reimplantation des Schädelknochens während derselben Operation.
Nach einer mikrochirurgischen OP, wie der Entfernung eines Tumors oder der Ausschaltung einer Gefäßmalformation, wird zunächst ein Verschluss der Dura mater durchgeführt. Hierzu wird diese wasserdicht genäht oder ein artifizieller Ersatz bzw. ein eigener Muskel / eine eigene Faszie eingebracht. Anschließend wird der zuvor entnommene Knochendeckel wieder eingepasst und mit mindestens 3 Plättchen am Schädel fixiert. Hierzu gibt es verschiedene Plättchenmodelle mit unterschiedlichen Längen und Formen für einen individuellen perfekten Halt, wie sie z. B. im Set evoFix von evonos zur Verfügung stehen. Hier kann der Chirurg aus einer breiten Auswahl die passenden Modelle aussuchen und mit selbstschneidenden Schrauben fixieren.
Ist bei einer Hirnschwellung (z. B. im Rahmen eines Schädelhirntraumas oder eines Infarktes) das Ziel der primären Operation, dem Gehirn Platz zu verschaffen, wird eine sogenannte Kraniektomie durchgeführt. In diesen Fällen wird direkt geplant, den Knochendeckel nicht wieder einzusetzen, um dem Gehirn Raum zur Ausdehnung zu verschaffen.Der Kopf des Patienten wird auf eine Seite gedreht und eine möglichst große Trepanation durchgeführt. Unter Umständen muss der Arzt den Kopf in einer Klemme fixieren, um einen großen Deckel entfernen zu können. Der entnommene Knochendeckel wird dann gereinigt und kryokonserviert, bis das Gehirn weit genug abgeschwollen ist und die Reimplantation geplant werden kann. Alternativ kann der autologeKnochendeckel auch in einer subkutanen Tasche in der abdominellen Bauchwand implantiert werden, was jedoch zu einer Verlängerung der OP-Zeit mit entsprechenden Risiken einhergeht. Starre Zeitvorgaben für diesen Eingriff gibt es nicht, die Hirnschwellung und Gesamtsituation des Patienten muss individuell mit einbezogen werden. Man unterscheidet in frühe, das heißt innerhalb der ersten 3 Monate nach primärem Eingriff, und späte Reimplantationen nach mehr als 3 Monaten.
Wird der entnommene Knochendeckel sekundär wieder eingesetzt, muss die alte Narbe eröffnet werden und anschließend die Knochenränder vorsichtig herauspräpariert werden, um den Deckel oder das Implantat aus PEEK oder Titan exakt einsetzen zu können. Manipulationen am Gehirn sollten vermieden werden, um keine Verletzungen zu verursachen.
Was sind die Risiken, wenn die Schädeldecke wieder eingesetzt wird?
Unter den direkten Risiken, wenn die Schädeldecke wieder eingesetzt wird, ist die Nachblutung zu benennen.
Generell ist die Kranioplastie, also das Wiedereinsetzen des autologen Knochendeckels oder ein für den Patienten hergestelltes Implantat, mit einer hohen Komplikationsrate verbunden. Das Risiko zum Auftreten einer solchen Komplikation (Infektion, Blutung, Hydrocephalus) liegt bei etwa 30 %, die häufigste unter ihnen ist die Nachblutung.
Problematisch ist die Situation eines SinkingSkin Flap Syndroms (SSFS). Hierbei ist das Gehirn deutlich unter das Niveau des Schädels gesunken. Somit entsteht nach der Reimplantation des Knochendeckels ein großer Raum, in den es einbluten kann. Sowohl Drainagen als auch Hochnähte können das Risiko nicht signifikant senken.
Bei Patienten mit einer dauerhaften Liquorableitung, wie einem ventrikuloperitonealem Shunt, kann die Druckstufe des Ventils hochgestellt werden, so dass weniger Hirnwasser abfließt und den Hohlraum ausfüllt.
In der Summe profitiert der Patient von einer Reimplantation des Knochendeckels. Zum einen aus kosmetischen Gründen, aber vor allem auch, weil das Gehirn geschützt wird. Hierbei ist bei der Reimplantation auf einen direkten Kontakt der Knochen an prominenten Stellen wie dem Stirnbereich zu achten. Insbesondere Patienten mit Sturzgefährdung oder einem Krampfleiden benötigen den mechanischen Schutz einer Schädeldecke. In der Zeit bis zur Reimplantation können sie einen individuell angepassten Helm bei der Mobilisierungtragen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren.
Zudem profitieren die Patienten im Rehaverlauf oft durch die Redecklung in Bezug auf ihre neurologische Klinik, wohl hauptsächlich durch eine Verbesserung der Durchblutung, des atmosphärischen Drucks und des zerebralen Glucosemetabolismus.
Zu den weiteren möglichen Komplikationen nach einer Reimplantation des Knochendeckels, gehören Krampfanfälle, Hydrocephalus sowie Infektionen. Bei einer Infektion muss der Deckel wieder entnommen werden und eine lange antibiotische Therapie durchgeführt werden. Für eine erneute Kranioplastie muss dann ein künstlicher Deckel aus Titan oder PEEK hergestellt werden. Hier bietet sich z. B. der evoShape von evonos an, der anhand eines CCTs individuell angefertigt wird und dadurch genau in den Defekt passt, was die Operation schneller und sicherer macht und zudem für ein gutes kosmetisches Ergebnis sorgt.
Die Inhalte mehrerer Untersuchungen und Artikel beschäftigen sich mit der Risikominimierung beim Wiedereinsetzen des Knochendeckels und sehen bezüglich der Infektion einen leichten Vorteil bei den hergestellten Präparaten.
Wie erfolgt das Zusammenwachsen der Schädelknochen?
Das Zusammenwachsen der Schädelknochen erfolgt normalerweise im Kindesalter über die Verknöcherung der Schädelnähte.
Bei einem Säugling sind die einzelnen Schädelplatten über die noch weichen Schädelnähte beweglich miteinander verbunden. So kann der Schädelknochen dem wachsenden Gehirn durch seine Größenzunahmegenug Platz verschaffen. Am Ende des ersten Lebensjahres sind 90 % des Schädelwachstums abgeschlossen, allerdings kann sich der Schädel in dieser Zeit und insbesondere in den ersten Lebensmonaten verformen. Kommt die Verformung durch das Liegen auf nur einer Kopfseite zustande, hilft das konsequente Drehen auf die andere Seite, um die Asymmetrie des Schädels wieder auszugleichen.
Liegt der Verschluss einer Naht vor, muss diese Kraniosynostose operativ versorgt werden. Denn abgesehen von der Asymmetrie des Schädels können sie zu einem erhöhten intrakraniellen Druck und Schädigungen des Gehirns führen. Nach der operativen Versorgung wird ein spezieller Helm getragen, um eine normale Kopfform wiederzuerlangen.
Bei einem Erwachsenen kann sich der Knochen nicht mehr verformen. Hier kommt es bei einem Trauma zu einer Fraktur des Schädelknochens. Sind Fragmente vorhanden, müssen sie entfernt, ggf. miteinander verschraubt und wieder richtig platziert eingesetzt werden. Liegen die Fragmente nicht mehr vor oder handelt es sich um eine Trümmerfraktur, kann ein Knochenersatz angefertigt und eingesetzt werden.
Wird nach einer Kraniotomie als Zugang zu einem Tumor erneut operiert, kann nach einiger Zeit der Knochendeckel mit dem übrigen Schädel wieder verwachsen sein und es muss erneut kraniotomiert werden.
Was sind die Spätfolgen einer Kraniotomie?
Die Spätfolgen einer Kraniotomie sind maßgeblich von der zu Grunde liegenden Erkrankung abhängig. Die direkte Kraniotomie kann vor allem kosmetische Auswirkungen auf den Patienten haben. Liegen die Knochen nicht direkt aneinander, entsteht ein Spalt, der von manchen Patienten als störend empfunden wird. Auch die zur Fixierung notwendigen Plättchen können insbesondere im Stirnbereich oder unter besonders dünner Haut tastbar sein.
Bei einer Autolyse löst sich der reimplantierte Schädelknochen an den Rändern zunehmend auf, was zu kosmetischen Problemen und darüber hinaus zu einer Lockerung führen kann. Bei hohem Leidensdruck kann hier ein erneuter Eingriff mit einer neuen Kranioplastik durchgeführt werden.
Der neurologische Zustand der Patienten hängt maßgeblich von der Pathologie und den präoperativ vorhandenen Ausfällen ab. Hat ein Tumor durch seine raumfordernde Wirkung zu neurologischen Symptomen wie einer Schwäche geführt, können sich diese Beschwerden durch eine Entfernung des Tumors zurückbilden. Allerdings kann eineTumorresektion im Bereich des motorischen Kortex, in dem die Bewegung gesteuert wird, auch zur einer Verschlechterung der Beweglichkeit führen. Zudem können Blutungen oder auch Durchblutungsstörungen in eloquenten Arealen bestehende Symptome verschlechtern oder neue Beeinträchtigungen verursachen. Als mögliche Folge können Lähmungen oder Sprachstörungen auftreten. Muss ein Gefäß koaguliert werden, kann es wie bei einem Schlaganfall zu neurologischen Ausfällen kommen. Das Ausmaß der Schädigung hängt von der Größe und dem Versorgungsareal des betroffenen Gefäßes ab.