Blogartikel – 31.05.2025
Schweres Schädelhirntrauma: Wie hoch ist die Lebenserwartung?

Die Lebenserwartung bei einem schweren Schädelhirntrauma hängt von vielen Faktoren ab.
Die Schweregrade werden anhand der Glasgow ComaScale eingeteilt (GCS). Bei dieser international angewandten klinischen Einteilung werden Punkte für die Reaktion des Patienten in Bezug auf das Augen öffnen (1-4), die beste verbale Reaktion (1-5) und die beste motorische Reaktion (1-6) vergeben und durch Summation ein Punktwert ermittelt. Bei 15 Punkten liegt keine Bewusstseinsstörung vor, bei 13-15 Punkten spricht man von einem leichten Schädelhirntrauma. Ein solches Trauma besteht z. B. bei einer Gehirnerschütterung, die folgenlos nach einer symptomatischen Therapie ausheilen kann. Bei 9-12 Punkten besteht ein mittelschweres Schädelhirntrauma und bei 3-8 Punkten ein schweres.
Liegen schwere Schädel-Hirn-Verletzungen vor, versterben 30-40 % der betroffenen Patienten nach dem Unfall, 2-14 % verbleiben in einem komaähnlichen Zustand.
10-30 % sind anschließend durch eine schwere Behinderung beeinträchtigt und nur 7-27 % erholen sich gut von den Folgen ihres Traumas.
Risikofaktoren für ein schlechtes Outcome sind die Unfallmechanismen sowie die primären und sekundären Hirnschädigungen. Zudem haben Patienten mit einem Schädelhirntrauma oft gravierende Begleitverletzungen. 15 % erleiden begleitende Schädigungen an der Wirbelsäule, z. T. mit Rückenmarksverletzungen, aber auch Bauch-Thoraxtraumen sowie multiple Frakturen können insbesondere bei einem Polytrauma mit einhergehen.
In der Frühphase ist eine Abschätzung der Prognose oft schwierig, eine frühzeitige Therapie und langfristige Rehabilitation können die Situation der Patienten verbessern.
Im Folgenden wird auf die Prognose, die Rehabilitation und den Langzeitverlauf bei Patienten mit einem schweren Schädelhirntrauma eingegangen.
Schwere Kopfverletzung bzw. schweres Schädelhirntrauma: Prognosen zur Lebenserwartung.
Eine schwere Kopfverletzung beeinflusst die Lebenserwartung der Patienten maßgeblich: Sie hängt primär vom Ausmaß der Schädigung und sekundär von der weiteren Versorgung und dem Verlauf ab.
Bei einem Polytrauma wird der betroffene Patient nach Sicherung der Atemwege und des Kreislaufs schnellstmöglich einer Diagnostik zugeführt, sprich in eine Klinik gefahren oder geflogen. Dort wird ein CT angefertigt.
Liegt eine raumfordernde Hirnblutung im Sinne eines epiduralen oder subduralen Hämatoms vor, muss diese durch eine Operation zügig entlastet werden.
Ein Epiduralhämatom kann bei einem Schädelbruch durch das Abreißen der A. meningeamedia entstehen und drückt von außen auf das Großhirn. Für das Überleben ist eine schnelle Entlastung mittels Kraniotomie notwendig. Hierzu wird der Schädelknochen aufgesägt und das der Dura aufliegende Blut entfernt. Anschließend kann der entnommene Knochendeckel oft wieder eingesetzt werden. Bei einem akuten Subduralhämatom fallen die Hirnschädigungen durch den Shift des Hirns zur Gegenseite oft stärker aus. Zudem kann es durch die Gewalteinwirkung auf den Kopf zu Hirnprellungen, sogenannten Kontusionen kommen. Sie entstehen durch den direkten Anprall, aber auch oft an der gegenüberliegenden Seite des Schädels als Contrecoup Läsion.
Für die weitere Prognose ist zudem die diffuse axonale Hirnschädigung relevant. Ursachen hierfür sind oft Hochrasanztraumen, bei denen es durch Abscherverletzungen zum Untergang von Axonen und Hirnzellen kommt.
Die diffuse axonale Schädigung ist im CCT nicht sicher zu sehen. Ein MRT kann diese punktförmigen Blutungen jedoch nachweisen, die sich oft in den Basalganglien, im Corpus callosum und im Hirnstamm befinden. Sind diese Hirnschädigungen auch im Bereich des Hirnstammes zu finden, muss von einer schlechten klinischen Prognose für den Patienten ausgegangen werden. Die Letalität liegt um das 10-fache höher, wenn eine Hirnstammschädigung vorliegt. Überleben die Patienten, befinden sie sich in einem komatösen Zustand und können kaum Kontakt zu ihrer Umwelt aufnehmen.
Das genaue klinische Bild hängt von der exakten Lokalisation der Schädigung ab, die auch durch Minderblutungen und einen Hirnstammtumor entstehen kann.
Anzeichen sind eine initiale tiefe Bewusstlosigkeit mit Beteiligung des Mittelhirns, was sich in Beuge- und Strecksynergismen zeigen kann.
Wie geht eine Hirnschwellung zurück?
Geht eine Hirnschwellung zurück oder bleibt die Raumforderung über einen längeren Zeitraum bestehen, beeinflusst den weiteren Verlauf der Hirnschädigung. Neben der primären Schädigung des Hirns, ist die sekundäre Hirnschwellung, das sogenannte Hirnödem, prognostisch wichtig. Hierbei kommt es in den ersten Tagen nach dem Trauma zu einer generellen Schwellung des Gehirns. Durch die starre Schädeldecke entsteht ein Platzproblem – dadurch steigt der Hirndruck an.Ihn zu senken und gleichzeitig eine suffiziente Durchblutung des Gehirns zu gewährleisten, ist das Ziel der intensivmedizinischen Therapie.
Um den Hirndruck zu senken, kann Hirnwasser über eine externe Ventrikeldrainage abgelassen werden. Hierzu wird mit einem Kraniotom ein Loch rechts frontal in die Schädelkalotte gebohrt und ein dünner Schlauch in die Hirnwasserkammer gelegt. Hierzu kann der evoDrill von evonos genutzt werden, ein besonders scharfer Bohrer in verschiedenen Größen, mit dem ohne Kraftaufwand schnell die Schädeldecke perforiert werden kann. Gleichzeitig kann über eine solche EVD auch der Hirndruck kontinuierlich gemessen werden.
Zudem können allgemeine Maßnahmen zur Behandlung einer Hirnschwellung angewendet werden. Hierzu gehören die Oberkörperhochlage, die Normothermie und gegebenenfalls auch das sogenannte Minimal Handling, in dem auch pflegerisch möglichst wenig am Patienten manipuliert wird. Medikamentös kann Mannitol oder NACL angewandt werden, um den Hirndruck zu senken. Eine milde Hyperventilation kann durchgeführt werden, wenn gleichzeitig die Aufrechterhaltung der Perfusion des Hirns gewährleistet wird. Zudem kann die Narkose durch Ausweitung und höhere Dosierung der Narkosemittel vertieft werden. Als letzte konservative Maßnahme kann eine Therapie mit Barbituraten begonnen werden.
Sollten alle diese Maßnahmen nicht zu einer Senkung des Hirndrucks führen, kann als ultimaratio eine dekompressiveKraniektomie durchgeführt werden.
Hierbei wird die Schädeldecke entfernt, eine Duraplastik angefertigt und dem Gehirn so die Möglichkeit gegeben, sich auszubreiten, was eine Einklemmung verhindern kann.
Sollte der Patient diese kritische Phase überstehen, kann nach dem Abschwellen des Hirns der Knochendeckel wieder eingesetzt werden. Hierzu kann, wenn vorhanden, der eigene Deckel verwendet werden und mittels Miniplättchen am Schädel refixiert werden. Sollte der eigene Knochendeckel nicht zur Verfügung stehen, kann eine Schädelplastik angefertigt werden. Hierfür wird anhand eines dünnschichtigen CCTs ein individuell angepasster Deckel, wie z. B. der evoShape von evonos, angefertigt. Durch die Passgenauigkeit wird die Operationszeit beim Wiedereinpassen verkürzt und die Patientensicherheit erhöht. Fixiert wird auch diese Plastik mit Plättchen und Schrauben, z. B. evoFix von evonos, die es in unterschiedlicher Form und Länge gibt, um einen optimalen Halt zu gewährleisten.
Zudem muss nach Abklingen der Schwellung überprüft werden, ob der Patient eine dauerhafte Hirnwasserableitung braucht oder ohne auskommen kann.
Die EVD wird entfernt und bei einem Aufstau kann dann dauerhaft ein ventrikuloperitonealer Shunt gelegt werden. Dieser transportiert den Liquor aus dem Hirn über einen unter der Haut verlegten dünnen Schlauch in den Bauchraum.
Wie lang ist die Heilungsdauer bei einem schweren Schädelhirntrauma?
Die Heilungsdauer nach einem schweren SHT ist individuell sehr verschieden und durch einen langen Rehabilitationsverlauf über Monate und Jahre geprägt.
Zunächst wird der Patient intensivmedizinisch behandelt, dazu wird er bei langer Beatmungsdauer durch ein künstliches Koma tracheotomiert. Hierdurch ist kein Beatmungsschlauch im Mund oder in der Nase notwendig. Dadurch kann eine Entwöhnung von der Beatmungsmaschine, das sogenannte Weaning, schneller erfolgen. Ist keine starke Hirnschwellung mehr vorhanden, wird auch die Sedierung reduziert, so dass der Patient wieder wach werden kann.
Ist der Hirnstamm betroffen, kann dies zu einer starken dauerhaften Einschränkung des Bewusstseins führen. Manche Patienten verbleiben in einem komatösen Zustand.
Nach dem Aufenthalt auf einer Intensivstation, findet die Behandlung auf einer Station für Frührehabilitation statt. Hier können Patienten mit schweren Hirnschädigungen behandelt werden, die tracheotomiert sind und elementare Funktionen wie das Schlucken und Sprechen wieder neu erlernen müssen.
Im weiteren Verlauf ist eine spezifische neurologische Rehabilitation notwendig.
Hier werden auch Patienten mit Schlaganfällen oder chronisch neurologischen Erkrankungen wie MS, Alzheimer und Parkinson behandelt.
Hirnorganische Schäden können auch die Persönlichkeit der betroffenen Menschen stark verändern. Zuvor nicht bekannte Aggressionen, aber auch Antriebsstörungen können insbesondere bei Schädigungen im Bereich des Frontalhirns auftreten und für den Patienten und das soziale Umfeld eine große Belastung darstellen.
Für die Genesung der Hirnpatienten und das Wiedererlangen von Hirnleistungen, ob nach Traumata oder anderen Erkrankungen, wie einem Hirntumor, ist eine multiprofessionale Zusammenarbeit erforderlich. Zudem ist bei der oft langen Heilungsdauer die Ausdauer der Patienten und ihrer Angehörigen wichtig. Aufgrund der langen Intensivzeit und Immunsuppression kann es immer wieder zu Infektionen oder anderen Rückschlägen im Rehabilitationsverlauf kommen.
Was sind die Spätfolgen bei einem schweren Schädelhirntrauma?
Neben den direkten Folgen eines schweren Schädelhirntraumas können Patienten auch von Spätfolgen beeinträchtigt werden, die erst nach einigen Jahren auftreten.
In einer Studie der Hannelore Kohl Stiftung und der Barmer Krankenkasse wurden über einen Zeitraum von knapp 15 Jahren 7,7 Millionen Personen bis zu 10 Jahre nachbeobachtet.
So litten Betroffene fünfmal häufiger an Kopfschmerzen als Patienten der Kontrollgruppe, die in diesem Zeitraum ein vergleichbares Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzinsuffizienz und Rheuma aufwiesen und kein Schädelhirntrauma erlitten hatten.
Zudem konnte gezeigt werden, dass auch endokrine Störungen durch Verletzungen der Hypophyse häufiger auftreten als bei der Vergleichsgruppe. Diese können sich in Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Libidoverlust manifestieren. Auch Kopfschmerzen, Migräne, Depressionen, Angst und Schlafstörungen treten im Langzeitverlauf häufiger auf.
Herausfordernd ist die anschließende weitere ambulante Anbindung, denn meist bleiben einzelne Symptome wie Kopfschmerzen, Tinnitus, Schwindel, Nackenschmerzen oder auch Konzentrationsstörungen nach einem Schädelhirntrauma bestehen. Eine neuropsychologische Anbindung ist oft schwierig für die betroffenen Patienten zu finden.
Meist sind nach einem schweren Schädelhirntrauma jedoch auch noch gravierendere Folgeschäden vorhanden. Eine posttraumatische Epilepsie muss neurologisch behandelt werden. Und Lähmungen, Sprachstörungen sowie Konzentrationsstörungen, die häufig damit einhergehen, behindern eine Wiedereingliederung in ein selbstständiges Leben und machen eine weitere Behandlung erforderlich.
Bei allen Stadien der Rehabilitation spielt das soziale Umfeld des Patienten und die damit verbundene Unterstützung und Motivation eine große Rolle. Abhängig vom Zustand des Patienten und der Ausprägung der Behinderung, kann eine dauerhafte Pflege zu Hause oder in einer Einrichtung erforderlich sein.
Bei einer Hirnschädigung im Bereich des Hirnstammes kann eine dauerhafte Beatmung oder andere intensive Pflege notwendig sein. Patienten benötigen dann einen speziellen Betreuungsplatz oder eine 24 Stunden Pflegekraft im häuslichen Umfeld. Hier ist der Ausbau einer entsprechenden Infrastruktur sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich dringend erforderlich.
Zudem wird angesichts der ernsten Prognose und den gravierenden Folgeschäden eines schweren Schädelhirntraumas die Bedeutung der Unfallprophylaxe wichtig. Insbesondere bis zum jungen Erwachsenenalter stellen sie die häufigste Todesursache dar, so dass neben den mittlerweile zumindest bei Kindern etablierten Fahrradhelmen auch verkehrspolitische Konsequenzen sinnvoll wären. Auch ältere Patienten, deren Reaktionsfähigkeit abnimmt, oder alkoholisierte Verkehrsteilnehmer, sind stark gefährdet, bei einem Unfall ein Schädeltrauma zu erleiden.